Aufbruch an der Oder

01.04.2020 | Projektstatus

Wiederholt wurde Frankfurt/Oder eine gute Zukunft als Logistikhochburg vorhergesagt, passiert ist bislang wenig. Jetzt könnte das neue Objekt LogPlaza für eine Wende sorgen.

Das Vorbild für LogPlaza Frankfurt (Oder) heißt Großbeeren. Auf 37 ha will die Projektentwicklungsgesellschaft Alcaro Invest einen Logistikpark hochziehen, der mehr als doppelt so groß ist wie das vor acht Jahren realisierte Projekt südwestlich von Berlin. Der Frankfurter Nachfolger wird auf dem Areal des Güterverkehrszentrums (GVZ) Süd direkt an der A12 gebaut. Wo früher unter anderem LKW auf einem Vorstauplatz mit rund 1.000 Stellplätzen auf die Weiterfahrt nach Polen warteten, sollen künftig rund 2.000 Mitarbeiter vornehmlich für Logistik- und Handelsunternehmen arbeiten. Die Vorbereitungen für den ersten Bauabschnitt laufen auf Hochtouren. Auf 100.000 m² sind rund 42.000 m² Hallenflächen geplant, hinzu kommen Büro- und Lagermezzanine sowie 250 Parkplätze. Voraussichtlich im Herbst 2020 ist Baubeginn, Mitte 2021 sollen die ersten Mieter einziehen. Insgesamt sind 170.000 m² Hallenflächen mit zusätzlicher Ausfahrt auf die B112 geplant. Die A12–Auffahrt ist 300 m, das KV–Terminal 5 km entfernt. „Für 40.000 m² liegen Anfragen von E-Commerce-Unternehmen vor“, bestätigt Projektleiter Peter Bergmann. „An weiteren 20.000 m² ist die Automotive-Industrie interessiert.“ Am liebsten sind Alcaro Großmieter wie in Großbeeren. Die dortige Alcaro-Immobilie mit rund 80.000 m² Lagerfläche ist seinerzeitkomplett an den Online-Modeshop Asos vermietet worden.

 

Die Chancen, dass LogPlaza Frankfurt diesen Erfolg wiederholen kann, stehen gut. Seit Jahren werben die Stadt Frankfurt und ihre Wirtschaftsförderungsgesellschaft Investor Center Ostbrandenburg (ICOB) um potente Investoren aus Industrie und Logistik. Während der letzten fünf Jahre konnten sie mit dem japanischen Elektronikunternehmen Yamaichi oder dem Kunststoffteilehersteller Wefo-tec zwar einzelne mittelständische Hersteller für einen Aufbau oder Ausbau von Produktionskapazitäten gewinnen. Der große Durchbruch in der Logistikbranche blieb jedoch aus. Offenbar zogen potenzielle Investoren kostengünstigere Standorte im nahen Polen vor. Vor allem im nur 170 km entfernten Posen fanden sie ausreichend Flächen und Arbeitskräfte vor. Mit LogPlaza ändert sich dies. „Wir können jetzt potenziellen Interessenten ein fertiges Konzept anbieten“, sagt ICOB-Geschäftsführer Christopher Nüßlein. Vorher mussten diese sich auf Bestandflächen ansiedeln, die im Stadtgebiet verteilt waren.

 

Grundsätzlich haben die Oderstadt und ihr Umland aufgrund ihres Arbeitskräfteangebots und ihrer geografischen Lage das Potenzial zu einem Top-Standort. Obwohl die Arbeitslosigkeit Ende 2019 auf unter fünf Prozent gesunken ist, melden Dienstleister und Verlader weiterhin keine Engpässe für Fachkräfte. Viele werden mittlerweile im benachbarten Polen akquiriert. Außerdem garantiert die A12 schnelle Verbindungen von Berlin, Paris oder Rotterdam nach Warschau, Minsk und Moskau. Und das 2012 von der polnischen Betreibergesellschaft PCC Intermodal übernommene und mit öffentlichen Fördergeldern ausgebaute KV-Terminal hat binnen weniger Jahre seinen Umschlag auf 124.000 TEU (2019) mehr als verdoppelt und ist über das PCC-Netzwerk mit allen großen Nordseehäfen sowie wichtigen Knotenpunkten wie Duisburg, Gleiwitz und Brest (Weißrussland) verbunden. Für zusätzliche Hochstimmung sorgen die „Seidenstraßen“-Projekte von China. Weil viele Schienengüterverkehre aus Fernost Frankfurt/Oder queren, wittern Stadt und ICOB weiteres Wachstumspotenzial, zumal PCC Intermodal ebenfalls die internationalen Netzwerke ausbaut. Seit Kurzem bietet der Terminalbetreiber regelmäßige Verbindungen ab Brest nach Japan und Südkorea an.

 

Eine Standortanalyse, die die Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) im Auftrag von Alcaro und ICOB anfertigte, bekräftigt solche Einschätzungen. Die Nürnberger Logistikwissenschaftler untersuchten außer der 60.000-Einwohner-Stadt Frankfurt auch zwei umliegende Landkreise in Deutschland und drei weitere in Polen. Vor allem die hohe Verfügbarkeit an Arbeitskräften wertet das Team um Uwe Veres-Homm als handfesten Standortvorteil. Jeder zehnte Beschäftigte arbeitet in der Logistikwirtschaft, Tendenz steigend. Auch günstige Grundstucks- und Mietpreise sprechen für Investitionen, zumal die Nachfrage aus der Region selbst heraus gering ist. „Vor allem für Gateway-Konzepte sowie für die zentrale Disposition in Deutschland und Polen bietet die Region geeignete Rahmenbedingungen“, schreiben die Wissenschaftler. Solche Vorteile sind offenbar bislang nicht ausreichend kommuniziert worden. Gegenuber anderen Regionen mit ähnlichem Profil müsse Frankfurt bei der Investorenansprache aufholen, mahnen die Wissenschaftler.

 

Sie vergleichen die Oderstadt mit Erfurt, Hof, Mönchengladbach und Posen: Die thüringische Hauptstadt hat sich während der vergangenen Jahre mit vergleichsweise günstigen Kosten als Distributionshochburg durchgesetzt, die beiden anderen Städte zeichnen sich ebenfalls durch grenznahe Lagen zu den Niederlanden beziehungsweise Tschechien aus. Auch gegenüber Posen kann Frankfurt dem SCS-Gutachten zufolge bestehen, weil weiterhin viele Flächen verfügbar sind und mit Berlin wenigstens ein Ballungsraum im Radius der logistischen Umlauftour existiert. Dennoch hat Posen bisher weit stärker als Logistikstandort floriert. Aber weil jetzt Arbeitskräfte langsam knapp werden, darf Frankfurt sich neue Chancen ausrechnen.

 

Quelle: Themenheft der DVZ: „Stars der Logistik“ vom 24.03.2020

Verfasser des Artikels: Herr Stefan Bottler